Wer kocht kann jemanden damit krank machen, wer kocht, kann jemanden damit gesund machen, wer kocht, kann Menschen glücklich machen, verführen oder sogar jemanden töten. Eine Köchin ist also eine mächtige Frau.
Stefan Wiesner, der bekannte Naturkoch aus dem Entlebuch, der auch der Hexer genannt wird, lässt keine Dimension der Kochkunst aus, als er uns in die Alchemie des Kochens mit dem Feuerring einführt.
Es ist ein heisser Nachmittag, wir sitzen hinter dem Restaurant Rössli in Eschholzmatt und schauen in drei Feuerringe, in denen es knistert und flackert. Auf den breiten Eisenrändern des ersten Feuerrings liegen bereits Karotten, eingepackte Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, ein gazer Blumenkohl, Tomaten, Kohlrabi und einige rohe Randen, sie surren leise von der Hitze, die in ihnen kocht.
Auf dem zweiten Feuerring liegen riesige Oberschenkelknochen von Kühen, langsam verfärben sie sich vom Rot-Weiss des Rohzustandes in ein goldenes Braun, auch sie werfen kleine Bläschen dort, wo sie auf dem Metall des Feuerrings aufkommen. Währenddessen erklärt uns Wiesner, wie man einen schwarzen Brotteig herstellt und dass pflanzliche Kohle Giftstoffe bindet und kaum Eigengeschmack habe.
Mich beschleicht das wunderschöne Gefühl, mit dem Kochen eine Passion gefunden zu haben, die ein Leben lang weiter vertieft werden kann, weil es unendlich viele Zubereitungsarten gibt und man einfach immer wieder Neues lernen kann.
Wiesner ist so ein Entdecker, ein Tüftler und ein Erfinder und damit ein Inspirator für alle, die die Natur und das Essen lieben. Er destilliert aus etwas Buchenholz ein unglaublich stark schmeckendes Substrat, dessen Aromawucht lange auf der Zunge bleibt. Er verschwindet dann damit in der Küche und am Tisch taucht das leicht teerige Holzaroma später als sanfte Note im Sauerrahm zum Gemüse wieder auf.
Alchemie ist bei Wiesner keine magisch verbrämte Chemie, sondern die Verwandlung von Stoffen, die er in der Natur um sich herum findet. Er arbeitet wie ein Bildhauer mit Steinen oder Holz, ja er schreckt auch vor der Motorsäge nicht zurück, damit zauberte er aus einem Stück Arvenholz die Geschmacksgrundlage für das Arven-Glacé zum Dessert.
Auf der Suche nach dem Ursprünglichen
Wer mit Feuer kocht, ist auf der Suche nach dem Ursprünglichen, nach der Magie bei der Essenszubereitung. Ohne Rauch und Kindheitserinnerungen geht da gar nichts, und ohne jahrtausendealte Menschheitsgeschichte auch nicht. Auch Wiesner geht diesen Weg zurück in die Kindheit und in die Geschichte. Er liebt altes Kochgeschirr und eine Prise Magie.
Als Kinder essen wir oft Ungekochtes, wir nehmen Steine in den Mund, nagen an einem Stück Holz, kauen eine besonders schöne Blume und schaffen damit die Grundlage für ganz neue Geschmackserlebnisse. Da setzt Wiesner an und startet mit seiner Verwandlung und Einbindung der Aromen. Natürlich werden wir an einem Nachmittag keine Hexen oder Hexer, aber wir bekommen eine Ahnung davon, wie wir in dieser Richtung unterwegs sein können. Wiesner animiert zum Eigenen. Er ist kein Guru, der Dich an seinem Wissensschatz gnädig teilhaben lässt. Er lässt auch seine Belegschaft vorzeigen was sie können und er weiss, dass die Neulinge sich auch mal die Finger verbrennen müssen, wenn sie gut werden wollen. Er lässt Freiraum für Vieles und präsentiert immer wieder unglaubliche Techniken so ganz nebenbei. Was er über das Braten von grossen Fleischstücken sagte, war gänzlich unspektakulär, aber so richtig, und wichtig dass man mit dem Wissen aus unzähligen Fleischverbrennern am Grill richtige Grilleure machen könnte. Besonders gefallen hat mir auch das Reh-Jerky auf dem Holzscheit, zart mit leichten Rauchnoten. Natürlich verrate ich hier nicht wie das genau geht.
Wiesners Alchemie-Kochen am Feuerring ist kein Reigen der Kochtechniken, obwohl wir alles durchexerziert haben vom Räuchern, zum Dämpfen, vom Karamellisieren zum Abziehen zur rose übers Braten bis zum Schmoren, es ist eine Inspiration zum Spielen mit einem etwas teuren Spielgerät, das aber generationenlang hält (Feuerring) und ganz viel Phantasie! Eine ode an das Kochen. Übrigens, man kann auch Pfannen auf den Feuerring stellen. Und wenn man die riesigen Kuhknochen nach drei Stunden (von Hand!) aufsägt, dann wartet wunderbar süsses Rindermark als Einstimmung für ein exzellentes Feuerringmenu auf Dich.
Aufgesägte Oberschenkelknochen einer Kuh mit schwarzen Broten und im Feuer verschmorten Randen.
Übrigens, wer Lust hat auf Kochen am Feuer, aber keinen Feuerring hat, findet in der Schweiz unzählige bestens präparierte Feuerstellen mit gratis Feuerholz und hervorragenden Grillrosten. Wer einen Gusseisentopf hat, kann darauf kochen, braten, schmoren und natürlich ein wunderbares Brot backen!
Der Feuerring ist nur ein kultiger Herd mit vielseitigen Möglichkeiten, aber wer improvisieren kann und Ideen hat, kocht auch an einer simplen Familienfeuerstelle ein Menu, das die Köche und Esserinnen tief und archaisch berühren kann.
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