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Lynn Blattmann

Ehrliches Essen, was ist das?


Wenn wir essen, wollen wir mehr als nur satt werden, wir wollen Gutes tun.

Dabei genügt es nicht, wenn wir nur uns gut tun, indem wir gesund essen, wir möchten gleich auch der Umwelt, der lokalen Wirtschaft und den Bauern unter die Arme greifen, indem wir richtig einkaufen und kochen.

Wir nennen das dann authentisches Essen. Das klingt erwachsen und vernünftig, aber was ist authentisches Essen?

Solches aus der Region? Ich bin in in der Nähe des Flughafens Zürich aufgewachsen, dort hat die Firma Giveaudan ein grosses Werk für die Herstellung von Aromastoffen und einige Dörfer weiter hinten produzierte Maggi seine Wunderwürze.

In meinem Fall bedeutet also regional nicht unbedingt gesund.

Letzthin las ich auf einem Schild "Authentic Thai Food". Das bedeutet wohl nicht, dass der Thailänder Okras aus dem Glattal in sein Curry schnetzelt, sondern dass das Essen so schmecken soll wie in Thailand. Authentisches Essen ist also ehrliches Essen, unverfälschte Nahrung.

Ehrliches Essen

Ein Essen ist dann ehrlich, wenn die Geschmacksnerven nicht beschissen werden. Wenn also keine künstlichen Aromastoffe, chemischen Geschmacksverstärker oder unnötige Zusatz- und Hilfsstoffe beigefügt werden.

Wo aber ist die Grenze?

Ist das Steinofen-Zwirbelbrot von Aryzta, das im Tankstellenshop um die Ecke eben aufgebacken wird, authentisch?

Auf jeden Fall riecht es gut. An Hilfsstoffen hat es Malz, Traubenzucker und etwas Ascorbinsäure im Teig, ist doch harmlos, oder?

Oder die tiefgefrorene Pizza? Sie wird von einem Grossverteiler in meiner Wohngegend hergestellt. Neben den üblichen Zutaten hat es Zucker drin, und Essig, sonst scheint alles so, wie ich es beim Pizzabacken auch verwenden würde.

Das Schwierige bei vorfabriziertem Essen ist, dass wir leicht hinters Licht geführt werden, weil unsere Geschmacksnerven überlistet werden. Wir merken nicht, dass viele Convenience Produkte viel zu viel Fett und Zucker enthalten und weitaus salziger sind als das, was wir selbst kochen. Auch Aromastoffe können wir schlecht als solche erkennen.

Das macht uns misstrauisch gegenüber Convenience-Produkten, die uns jahrelang immer wieder beschissen haben.

Hier müssen die Produzenten Vertrauen zurückgewinnen und wir als Konsumentinnen müssen ehrlicher zu uns selbst werden:

Was wollen wir denn wirklich? Glauben wir im Ernst, dass die Zukunft darin liegt, dass wir unser Essen zweimal pro Woche mit dem Weidenkorb auf dem Arm auf dem Bauernmarkt einkaufen, oder reicht es, wenn unser Essen geschmacklich und inhaltlich nicht unnötig gepimpt wird?

Wenn also das Erdbeerjoghurt, das tatsächlich nach richtigen Erdbeeren schmeckt, ohne Hilfsmittel nicht hinzubekommen ist, dann essen wir es halt nature. Wenn wir frische Erdbeeren kaufen, halten wir es ja auch aus, dass es solche gibt, die wenig Aroma haben.

Ehrlich essen, heisst auch der Realität ins Auge zu sehen.

Seien wir ehrlich: Auch wenn es sehr viel Spass macht auf einem Markt einzukaufen. Verkaufsstrukturen wie im 19. Jahrhundert werden nicht die Zukunft sein. Das wird uns spätestens klar, wenn wir überlegen, wie viel von unserem monatlichen Einkauf tatsächlich vom Markt stammt.

Wir werden auch in Zukunft hauptsächlich bei den Grossverteilern einkaufen und die Digitalisierung wird auch vor unseren Tellern nicht Halt machen. Online-Bestellungen und Heimlieferungen haben ja gerade wieder besondere Konjunktur wegen Corona.

Dennoch ist es möglich, heute ehrlicher zu essen, ohne nur beim Bauern einkaufen zu müssen. Die Grossverteiler haben gemerkt, dass es eine Nachfrage nach unverfälschten Lebensmitteln besteht. Selbst krumm gewachsene Karotten werden wieder verkauft. Allerdings bleibt diese Nachfrage weit hinter der Selbstdeklaration der bewussten Konsumentinnen und Konsumenten zurück. Der Anteil an Bioprodukten stagniert oder ist sogar rückläufig und nachhaltig produziertes Fleisch findet kaum Abnehmer.

Wir wissen zwar, dass ehrliche Lebensmittel etwas teurer sind, aber wir sind nicht bereit, wirklich mehr dafür zu bezahlen.

Schauen Sie doch beim nächsten Einkauf vor der Kasse mal in ihren Korb. Vielleicht geht es auch bei Ihnen noch ein bisschen authentischer?





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