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Lynn Blattmann

Heimatgefühle entstehen im Magen


Wer länger im Ausland war, kennt das: Irgendwann beginnt die Lust auf ein Essen, das genau so schmeckt wie zuhause an einem zu nagen. Selbst wenn man in der Schweiz kaum Cervelats oder Bratwürste ass, beginnt man sich auszumalen, wie ein perfekter Wurstsalat schmecken würde, oder Chäshörnli.

Die meisten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer fangen im Ausland an, möglichst schweizerisch zu kochen, zumindest hin und wieder. Fehlende Zutaten lassen sie sich meist von Freunden aus dem Heimatland im Koffer mitbringen.

Leider können nicht alle Menschen kochen. Darum gibt es überall auf der Welt Restaurants oder Lebensmittelproduzenten, die Gerichte oder Zutaten so zubereiten, wie sie die Menschen von zuhause kennen.

Carbonara ist kein italienisches Traditionsessen

Besonders erfolgreich mit diesem Heimweh-Essen waren die Italiener. Die ausgewanderten Italiani, die überwiegend aus dem Süden stammten, eröffneten an ihren neuen Heimatorten auf der ganzen Welt unzählige Restaurants. Sie machten damit nicht nur ihre Landsleute glücklich und satt, sie begeisterten auch die Einheimischen und sie schufen neue Essenstraditionen, die zwar heute jedermann als italienisch bezeichnet, die aber in Italien keine Tradition haben.

Ein Beispiel dafür sind die Spaghetti Carbonara. Sie wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Rom erfunden, weil die amerikanischen Soldaten Eipulver und Speck in ihrem Proviant hatten und diese Lebensmittel mit den Italienern gegen andere Dinge eintauschten.

Die findigen Romani zauberten daraus Spaghetti Carbonara, was die Amerikaner derart begeisterte, dass dieses Gericht neben den Spaghetti and Meatballs und Pizza zu den weltberühmtesten Italienischen Spezialitäten geworden ist.

Übrigens, auch die Spaghetti and Meatballs wurden nicht in Italien erfunden, sondern in New York. Die süditalienischen Einwanderer entwickelten das Rezept, weil sie in New York viel mehr und viel besseres Fleisch zur Verfügung hatten als in Italien. Pastagerichte enthalten in Italien meist nur wenig Fleisch, oder sie sind ganz vegetarisch.

Diese Beispiele zeigen, dass Essenstraditionen eine fluide Sache sind und dass nicht immer Italien drinsteckt, wenn italienisch drauf steht.

Ähnlich wie sich die Sprache der Menschen laufend modernen Einflüssen anpasst, und sich verändert, wandelt sich auch unser traditionelles Essen und es entstehen neue Traditionen.


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