Noch vor dreissig Jahren waren Männer in Privathaushalten eher selten am Werk, aber bevor sie sich ums Waschen und Staubsaugen oder ums Kinderhüten zu kümmern begannen, lockte sie der Herd.
Im Zuge der 68er Bewegung, wurde auch das polare Geschlechterverhältnis etwas gelockert. Männer trugen nicht nur längere Haare und Frauen kürzere Röcke, es gab sogar einige, die sich fürs Kochen im privaten Rahmen zu interessieren begannen.
Überall in Westeuropa entstanden damals Vereine kochender Männer. Sie waren wild entschlossen, ihren Hausfrauen nicht nur das Wasser reichen zu wollen am Herd, sondern sie meilenweit zu übertrumpfen. In ihrem Fokus stand allerdings nicht die Alltagsverpflegung der Familie, sondern das aussergewöhnliche Festessen. Sie trafen sich in Männerkochclubs und probierten dort unter sich die richtig schweren Sachen aus. Sie scheuten nicht davor zurück, ganze Tiere fachgerecht zu zerlegen und sich an die komplexesten Menüs zu wagen. Die Clubmitglieder zeichneten sich meist auch dadurch aus, dass sie sich ein Set wirklich guter und teurer Messer zulegten.
Der Schweizerische Club kochender Männer hatte sogar eine eigene Zeitschrift Marmite, sie trug den Untertitel: Zeitschrift für die Freunde der gepflegten Küche.
Der Name Marmite verweist nicht auf die vegetarische englische Würzpaste gleichen Namens, die schmeckt wie eingedickte Maggiwürze, sondern auf einen Koch- oder Suppentopf. Ein Marmite ist eine Eisenpfanne, in der früher die Suppen köchelten.
Das Magazin gleichnamigen Namens mauserte sich rasch zu eine Kultmagazin für die gehobene private Küche und es wurde früh auch gerne von Frauen gelesen.
Durch eine aufmerksame Blogleserin bin ich in den Genuss gekommen von einigen Ausgaben von Marmite aus den Jahren 1986 und 1987.
Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, wie hochstehend und technisch anspruchsvoll die Rezepte damals gewesen sind. Da werden also Hühner ausgebeint, Fische fachgerecht filetiert und so viele Fachbegriffe aus der Profiküche benutzt, dass oft auch erfahrene KöchInnen kaum etwas verstanden. Zum Glück war meist hinten ein Glossar drin, das erklärte, was mit Sautieren oder Pochieren gemeint war, oder was genau in ein Röstgemüse zum Aufbau einer Sauce gehört und wie es geschnetzelt sein muss.
Die kochenden Männer schwammen damals gegen den Strom, denn in den Familienküchen hielten damals gerade die Convenienceprodukte Einzug, während die Männer in Küchenschürzen wieder Knochen auskochten und Saucen mit Butter montierten.
Wer jedoch glaubte, dass dies der erste Schritt zu einer besseren Einbindung der Männer in die Familienarbeit war, sah sich getäuscht. Viele Ehefrauen von kochenden Männern klagten unter vorgehaltener Hand, dass sie nicht mehr für Einladungen kochen durften, sondern nur noch im Alltag für die Familie. Ihre Ehemänner heimsten das Lob für das gute Essen ein und den Frauen verblieb nach dem Aufbrechen der Freunde nur noch der Abwasch und danach wieder die Alltagskocherei.
Aber auch wenn es noch Jahrzehnte dauern sollte, bis sich die Zahl der Männer auch in den Alltagsküchen merklich anzusteigen begann, brachten die kochenden Männer dennoch viel frischen Wind in die Hausfrauenküchen. Sie haben mit etwas grösseren Kellen angerührt und sie kochten munter drauflos, völlig unbeschwert von der Zurichtung, die Frauen im Hauswirtschaftsunterricht über sich ergehen lassen mussten.
Sie haben ohne die Päcklisaucen und die vielen Helferlein wieder eine ehrlichere Küche hervorgeholt und damit auch die schweizerische Alltagsküche aufgelockert und erweitert. Sie liebten es, Neues auszuprobieren und exotischere Gewürze einzusetzen, und sie gaben für die Zutaten und den Wein so richtig Geld aus.
Heute steht in vielen Haushalten nicht nur die Frau am Herd, auch im Alltag kochen Gottseidank deutlich mehr Männer als noch vor dreissig Jahren. Das bringt den Vorteil, dass meist derjenige am Herd ist, dem das Essen wichtiger ist, was man als Gast durchaus schmeckt und schätzt. Ja, und man sieht jetzt auch in Frauenhaushalten häufiger richtig scharfe Messer. So sind jetzt endlich auch in der Küche die Spiesse zwischen den Geschlechtern gleich lang geworden!
Nur am Grill sind die Männer noch meist unter sich. Das ist schade, denn hier könnten die Frauen vielen Männern etwas beibringen. Mehr dazu finden Sie hier.
コメント