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Lynn Blattmann

Picanha: Himmlische kleine Steaks aus Siedfleisch


Picanha ist Tafelspitz. Ja, genau. Es wird gemacht aus dem meist meist eher zähen und trockenen Fleisch, das die Österreicher stundenlang im Wasser mit Gemüse kochen und dann mit viel Kren aus dem Suppenteller löffeln.

Nun, die Brasilianer haben das eher zähe Stück in eine Steak-Delikatesse verwandelt, in das Picanha Steak. Wer nun meint, man könne beim Fleischer einfach ein preiswertes Stück Tafelspitz kaufen und dieses dann auf dem Grill in einen Genuss verwandeln, der irrt. Dazu braucht es mehr.

Es braucht im Idealfall eine etwas fette Kuh, und zwar eine, die ihr Fett nicht nur um die Muskeln herum drapiert, sondern es auch ein bisschen innerlich einlagert, dann braucht es jemand, der wirklich etwas von Fleischreifung versteht, und es braucht Zeit, viel Zeit.

Ich habe mein Picanha Steak von Michi Vogt aus der Hinterhof Metzgerei in Staad. Auf seinen Rat hin, schneide ich das Stück auf und brate die einzelnen kleinen Steaks. Ich hole das Fleisch fast vier Stunden vor dem Grillen aus dem Kühlschrank und salze mit grobem Salz. Dies zieht zuerst etwas Flüssigkeit aus dem Fleisch, die salzige Lösung zieht nach einer Weile jedoch wieder ins Fleisch ein und sorgt für eine perfekte Salzigkeit der Steaks.

Ich brate die Cuts auf einem Holzkohlengrill scharf an auf beiden Seiten und lasse sie dann bei mittlerer Hitze neben der Glut durchziehen.

Die Steaks haben Temperament auf der Holzkohle, ich muss höllisch aufpassen, dass mir kein Fett in die Glut tropft, weil das Feuer sonst ans Fleisch züngelt.

Einen Tag später grille ich die zweite Charge dieser Steaks direkt über der Glut von Buchenscheitern. Auch hier achte ich darauf, dass sie zuerst schön Hitze bekommen und nehme diese dann zurück.

Beide Varianten der Zubereitung schmecken hervorragend, das feine Aroma der Buchenholzglut gefällt mir fast noch besser als der Geschmack der Holzkohle mit einigen wenigen Räucherspänen.

Das Fleisch hat deutlich mehr Biss als wir es uns vom nassgereiften Rindfleisch gewohnt sind, aber das stört nicht, es passt zu den herrlichen Geschmackserlebnissen im Mund. Die kräftige Textur des Fleisches harmoniert mit dem urigen Geschmack der Steaks. Das aussergewöhnliche Aroma dieses Cuts entsteht allerdings nicht auf dem Grill, hier kann er nur noch optimiert werden, es ist das Ergebnis der langen Zeit in Michi Vogts Reifekammer, wo das Fleisch in riesigen Stücken abhängt und an der kalten und leicht salzigen Luft laufend an Gewicht verliert und an Geschmack gewinnt.

Trocken gereifte Special Cuts sind etwas für Geniesserinnen und Geniesser. Man muss kein Pfundssteak verschlingen, um satt und zufrieden zu werden, es reicht ein eher kleines, aber hoch aromatisches Stück.

Dazu passt ein Kartoffelstampf aus blauen St. Gallern und ein schöner Salat mit einem leichten Zitronendressing.

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