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Lynn Blattmann

Wie Gott in Frankreich


Franzosen essen anders als wir. Das fällt jedem auf, der oder die in Frankreich nur schon Ferien macht. Die Auswahl an Speisen ist grösser, das Essen dauert länger und es ist immer noch nicht einfach, beim Mittag- oder Abendessen um ein Dreigangmenu herumzukommen.

Interessanterweise sind die FranzösInnen im Vergleich zu anderen Nationen trotz der üppigen Esserei recht schlank.

Was ist es also, das das Essen in Frankreich so anders macht als bei uns?


Viele fermentierte Produkte

Ein grosser Unterschied zwischen der französischen und der schweizerischen Küche liegt darin, dass die Franzosen nichts gegen Bakterien haben und sogar mit den kleinen Viechern auf der gebrochenen Milch so gut umgehen können, dass sie so viele verschiedene Käsearten haben wie kein anderes Land. Frankreich soll über 1000 Käsesorten produzieren! Französische Käse sind grundsätzlich unpasteurisiert und sie weisen eine für uns erstaunlich grosse Pilzvielfalt auf den Oberflächen auf.

Auch auf den hervorragenden Saucissons secs finden sich oft grimmige dunkelgraue Pilzkolonien, was die Trockenwürste nicht daran hindert, nach dem Schälen einfach nur himmlisch zu schmecken.

Überhaupt besteht in Frankreich ein lockereres Verhältnis zum Zerfall von Lebensmitteln. Während bei uns das Verfallsdatum bei jedem Joghurt sofort ins Auge springt, muss man eine besonders gute Lesebrille auf die Nase setzen, um in Frankreich das Ablaufdatum auf der Packung lesen zu können. Auch im Supermarkt liegt oft erstaunlich viel nicht mehr ganz taufrisches Gemüse in der Auslage. Die aufgeklärten Konsumentinnen haben ja schliesslich Augen im Kopf und eine Nase dabei, damit können sie vergammelte von frischer Ware gut unterscheiden.


Grosse Lebensmittelvielfalt

Frankreich ist ein Land, das landwirtschaftlich besonders gesegnet ist. Es gibt fast nichts, was in Frankreich nicht wächst, die Gemüsevielfalt ist riesig, die Qualität sehr gut, dasselbe gilt für Fleisch oder Wein oder Früchte. Diese enorme Auswahl an Lebensmitteln hat zu einer sehr vielfältigen Küche geführt. Abwechslung auf dem Teller ist also gegeben. Das wissen die Französinnen und Franzosen durchaus zu schätzen, denn im Unterschied zu anderen europäischen Ländern geben sie einen weit höheren Anteil ihres Monatseinkommens für Lebensmittel aus. Während in der Schweiz 7% des Haushaltseinkommens für Lebensmittel ausgegeben werden, sind es in Frankreich mehr als doppelt so viel. Im Unterschied zu Deutschland, wo möglichst günstige Lebensmittel gefragt sind, zahlt man in Frankreich für gutes Essen gerne auch etwas mehr. So ist es beispielsweise nicht unüblich, beim Fleischer anzuschreiben, von welcher Rinderrasse das Rindfleisch stammt. Wer beim Fleischessen, sogar die Rasse des Tieres herausschmecken kann, darf sich getrost Gourmet nennen.


Essen als soziales Erlebnis

Während bei uns immer mehr im Stehen, unterwegs oder im Zug gegessen wird, hat das Essen in Frankreich noch einen höheren sozialen Stellenwert. Man mag es für übertrieben halten, drei Stunden an einem gedeckten Tisch zu sitzen und sich den Bauch mit vielen Gerichten vollzuschlagen, aber langsames Essen im Sitzen hat sich für die Seele und für den Bauch als ziemlich gut erwiesen.


Obwohl mein Französisch immer noch eher mangelhaft ist, mag ich die französische Küche sehr. Ich finde, wir könnten uns in der Schweiz punkto Nonchalance und Auswahl auf dem Teller durchaus etwas von unserem Nachbarland abschneiden.


Natürlich gibt es einen grossen historischen Unterschied zwischen der Schweiz und Frankreich. Während Frankreich schon vor Jahrhunderten ein landwirtschaftlich gesegnetes Land war, gab es in der Schweiz bis vor wenigen Jahrzehnten einen eher engen sehr fett- und stärkelastigen Speiseplan. Doch die Zeit von Rösti und Käse und Café Complet ist auch bei uns längst vorbei. Das Lebensmittelangebot ist auch im Alpenland riesig geworden. Lassen wir uns davon inspirieren!



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